SUMMER SPLASH 2
ARAM BARTHOLL
CONSTANT DULLAART
ERNEST EDMONDS
EDUARDO KAC
SOMMERER & MIGNONNEAU
EVAN ROTH
UBERMORGEN
MARK WILSON
18. JUNI – 27. JULI 2013
Eröffnung: 15. Juni, 15 – 17 Uhr
Die Sommerschau der DAM GALLERY in Berlin geht in die zweite Runde: „Summer Splash 2“ gibt abermals einen Überblick über die unterschiedlichen Anwendungsgebiete digitaler Medien in der Kunst. Die gezeigten Arbeiten loten die Möglichkeiten und Grenzen digitaler Bildgebungsverfahren aus. So sind neben visuellen Bewegungsstudien der GIF-Animationen von Evan Roth mehrere interaktive Arbeiten von zum Beispiel Sommerer & Mignonneau zu sehen, in der eine Magische Laterne aus den 1920er Jahren zum Einsatz kommt. UBERMORGEN erstellen aus YouTube-Kommentaren ein Buch, welches über Amazon angeboten wird. Constant Dullaart schließlich inszeniert mit der dekonstruktiven Webarbeit „The Death of the URL.“
Informationen zu den ausgestellten Kunstwerken:
Aram Bartholl, Greetings from the Internet, 2013, Postkartenserie, 24 x 30 x 5 cm
„Während der letzten 5 Jahre habe ich Fotos von W-Lan Passwörtern gesammelt, wann immer ich ihnen auf meinen Reisen begegnete. In vielen privaten und öffentlichen Räumen gibt es kabelloses Internet, jedoch benötigt man ein Passwort, um sich mit ihm zu verbinden. „Gibt es hier Internet?“ Häufig stehen W-Lan Passwörter auf kleinen Papierzetteln oder auf der Tafel hinter dem Tresen von Cafés etc. geschrieben oder gedruckt „Was ist das W-Lan Passwort?“ Viele dieser Codes sind von Hand geschrieben, was sie anfällig für Schreib- oder Lesefehler macht. „Ist das ein großes C? Ist da ein Fehler im Code? Kannst du erahnen welches der Richtige ist?“ W-Lan Passwörter repräsentieren ein Zeitalter des Moments der Verbindung – den Moment des Faktors Mensch, bevor wir langsam in ein Immer-schon-verbunden-Sein mit allen Geräten, egal wo wir sind, driften …“ (Aram Bartholl, 2013)
Constant Dullaart, The Death of the URL, 2013, Website
Während seiner Besuche in China bemerkte Constant Dullaart wie wenig die chinesische Bevölkerung das Internet als einen Ort ansieht, in dem man seinen eigenen Raum schaffen kann. „Natürlich ist dies der Zensur der chinesischen Firewall zu verdanken. Dennoch beobachte ich die selbe Sache auch überall dort, wo es viel einfacher ist Bilder in Facebook oder Instagram zu laden, um eine eigene Website zu erstellen. Das Zeitalter und die Notwendigkeit der Schaffung eines eigenen, unabhängigen Raumes im Internet scheint zu verschwinden. Seiten werden durch Google gefunden und Informationen werden durch eigens entwickelte Apps adressiert. Nichtsdestotrotz bleibt der private Webspace, der unter einer Domain zu finden ist und in seiner Verbindung mit anderen einen scheinbar öffentlichen Raum formiert, dabei immer noch das Internet. Diese Nostalgie für ein ideologisches Internet stellt die Kunst im Internet in einen interessanten Kontext. Kunstwerke, die sich auf Domain-Namen beziehen, sind Arbeiten, die sich einem überholten, wenn auch ideologischen Medium bedienen. Ich habe mich entschieden, dass es an der Zeit ist, den Tod der URL zu verkünden um diese Nostalgie einmal mehr heraufzubeschwören. So habe ich einen Namen gekauft, 38 X-Zeichen, Punkt xxx. Die gesamte Titelleiste wird dadurch eine Reihe von X. Alles, was zu sehen ist, ist „The Death of the URL 2013“ und mein Name. Das ist ein absolutes Statement. Theoretiker haben mich angeschrieben und gesagt, dass dies eine Huldigung der URL sei. Der Tod der Literatur kann ein Buch sein. Ich will damit nur sagen, dass es notwendig ist, diese Art von Kunst oder Kunstwerke als nostalgisch zu sehen. Es ist eine poetische Geste. Es ist nicht so wichtig, wie es einmal war.“ (Constant Dullaart, 2013)
Ernest Edmonds, Shaping Form 5.5.2013, 2013, Bildschirm, Computer, Kamera, 42 x 42 x 10 cm
Ursprünglich ein Maler mit Sympathie zum Konstruktivismus, wandte sich Ernest Edmonds (*1942) 1986 computergestützter, algorithmischer Malerei zu. Edmonds Gegenstand ist die Untersuchung der verschiedenen formalen Möglichkeiten des zweidimensionalen Vierecks. In jeder Arbeit wird der Umriss dieser Form durch Farben oder das Einführen einer Linie in Abschnitte geteilt und sichtbar gemacht. Die Serie „Shaping Form“ besteht aus interaktiven Einzelstücken, die jeweils Farben und Formen in der Zeit aus einem Set einzigartiger Regeln generieren: Regeln, die vielmehr ihre DNA sind. Die Werke ziehen zudem Daten aus einer Kamera und kalkulieren das Ausmaß an Aktivität vor dem Kunstwerk. Die Software des Computers modifiziert dann entsprechend kontinuierlich die Regeln des Kunstwerkes. Das Kunstwerk und sein Fortgang steht folglich unter dem Einfluss der Menschen, die es betrachten. Die Betrachter tragen zur Formgebung des Kunstwerkes bei. “Shaping Form” steht somit für eine “errechnete Welt”, die sich zwar nach eigenen Maßstäben bewegt und ändert, jedoch durch die Bewegung des Publikums fortentwickelt. Jede einzelne Arbeit wird durch ein Datum in seinem Titel gekennzeichnet. Dieses Datum ist der Tag, an dem es seine Tätigkeit aufnahm, an dem es zum Leben erwachte.
Eduardo Kac, Move 36 Suite, 2005, lambda print on pearlescent paper / diasec, 38 x 38 cm
Eduardo Kac (*1962) ist international für seine Telepräsenz und Bio Art bekannt. Sein Projekt „Move 36“ bezieht sich auf den dramatischen Schachzug des Computers „Deep Blue“ gegen den Schach-Weltmeister Gary Kasparov im Jahr 1977, in dem Kasparov das Spiel wegen eines unerwartet subtilen und konzeptuellen Zuges des Computers im Zug 36 des zweiten Spiels verlor. Die ursprüngliche Installation „Move 36“ von Eduardo Kac ist ein Schachbrett aus Erde und Sand. Kac hat, genau an der Stelle, an der „Deep Blue“ den Zug 36 vollzog, eine Pflanze angebaut, deren Genom ein neues Gen trägt, das er eigens für die Installation kreiert hat. Das Gen nutzt den universellen binären Computercode ASCII als römische Buchstaben, um Descartes Satz „Cogito ergo sum“ (Ich denke also bin ich) in die 4 Basen der Genetik zu übersetzen. Stumme, quadratische Videoprojektionen an zwei gegenüberliegenden Seiten kontextualisieren die Arbeit, in dem sie auf die zwei abwesenden Schachgegner anspielen. Jede Videoprojektion besteht aus einem Netz kleiner Quadrate, die kurze animierte Loops zeigen, die sich in Intervallen verändern und derart einen komplexen und präzise choreografierten Strang von Bewegungen erschaffen. Die kognitive Anteilnahme des Betrachters an den vielfältigen optischen Möglichkeiten, die auf beiden Bildtafeln gegeben sind, bilden dabei den Möglichkeitshorizont der Schachzüge auf dem Schachbrett ab, die während eines Spiels gegeben sind. DAM GALLERY zeigt eine Auswahl an gedruckten Standbildern der projizierten Animationen.
Sommerer & Mignonneau, Excavate, 2012, modifizierte „Magische Laterne“
Die Arbeiten von Christa Sommerer und Laurent Mignonneau untersuchen die Beziehung zwischen Kunst, Wissenschaft und Technologie. Sie entwickeln Simulationen des Künstlichen Lebens und gestalten Umgebungen der Interaktion und Partizipation. Die Konfrontation von realen und virtuellen Systemen bedarf einer bewussten Interaktion. Sie veranschaulicht die Wechselwirkung und das Zusammenspiel beider Modelle. Die Arbeit „Excavate“ (2012) besteht aus einer Magischen Laterne aus den 1940er Jahren, die durch einen Sensor, ein Computerprogramm, sowie einen Mikroprojektor in ein Interface transformiert wurde. Besucher des dunklen Raumes erhalten das „Excavate“ Interface, um die Dunkelheit zu erkunden. Wenn Licht auf die Wände trifft, tauchen unterschiedliche dunkle Partikel auf, die an Asseln erinnern. An einer Stelle versammeln sich diese Kellerasseln und Kindergesichter kommen zum Vorschein. Immer wenn sich der Besucher bewegt, laufen die Asseln auseinander, wenn man die Lampe fokussiert, erscheint ein neues Kindergesicht. Durch das Interface der „Excavate“ Laterne kann eine Vielzahl an verschiedenen Kindergesichtern entdeckt werden. Diese stammen aus alten Fotografien aus der Zeit des Krieges. Dabei ist nicht klar, warum die Kinder so verstört und ängstlich schauen.
Evan Roth, officechair-on-greenyellow.com, 2012, Website
Evan Roth (*1978), Mitbegründer des Graffiti Research Lab und des Free Art & Technology Lab (F.A.T. Lab) ist ein in Paris lebender, amerikanischer Künstler, dessen Werk das Verhältnis von subversivem Gebrauch und Selbstermächtigung untersucht. Die Prints, Skulpturen, Videos und Websites seines Oeuvres sind weniger durch das Medium und Genre definiert, als durch seine Aneignung der Populärkultur. Roths Arbeiten werden durch den Missbrauch von scheinbar starren Strukturen und der Anwendung von Philosophien der Hacker-Community auf nicht-digitale Systeme getragen. Die GIF-Kompositionen sind eine Serie webbasierter Arbeiten, die vorgefundene GIF-Dateien nutzen, um visuelle Bewegungsstudien zu kreieren. Einzigartige Animationszyklen entstehen durch die Art und Weise, in der der individuelle Browser die GIF-Datei herunterlädt und im Zwischenspeicher ablegt. Jedem GIF einer Sequenz wird ein einzigartiger Dateiname gegeben, um den Browser davon zu überzeugen, sie als unterschiedliche Bilder zu behandeln anstelle als Kopien einer einzigen Datei.
UBERMORGEN, The Project Formerly Known As Kindle Forkbomb, 2011 – andauernd, Bücher, 14.8 x 21cm
In ihrem neuen Projekt fallen UBERMORGEN mit einer enormen Menge automatisiert hergestellter und selbstverlegter elektronischer Bücher in den Kindle-Shop von Amazon ein. Die Bücher enthalten Millionen von Youtube-Kommentaren, die ein neues literarisches Genre begründen. Diese neue Form der Verbreitung ist höchst instabil und provoziert Konflikte. Entsprechend hat Amazon begonnen alle Bücher zu löschen, dementsprechend änderte das Projekt seinen Code und neue Bücher tauchten im Kindle-Shop auf. Das Projekt missbraucht die allgemeine Cloud-Infrastruktur Amazons und setzt eine Reihe von ästhetischen und rechtlichen Provokationen ihres Geschäftsmodells frei. Das Projekt dient als Veröffentlichungsplattform, das „Buch“ ist lediglich ein Behälter variablen Inhalts zu einem variablen Preis für variable Plattformen. DAM GALLERY zeigt 3 Printausgaben der Eigenveröffentlichungen.
UBERMORGEN, ART FID My Cow / ART FID My Box, 2006, Tinte auf Leinwand, jeweils 100 x 100 cm
ART FID steht als Produkt im Spannungsfeld zwischen Bildender Kunst, den Neuen Medien (Netzkunst) und High Tech. RFID (Radio Frequency Identification) ist eine „DER“ Leittechnologien der Zukunft: Es ist ein Identifikationssystem, welches diverse Informationen über ein Produkt als auch über die Person, die es kauft, in sich trägt. Kurz – es ist eine Art digitale DNA. RFID Chips können unter die Haut implantiert werden und formal gesehen stellen sie eine organische Struktur dar, die zellularen Strukturen überraschend ähnlich ist. Die Serie digitaler Bilder ART FID erzählt uns eine Geschichte von der Biotechnologie, die mit der digitalen Technologie zusammenwächst: Der Pixel ist das Molekül!
“ART FID My Cow” z. Bsp. ist Teil der Serie aus 5 Gemälden und bezieht sich auf die Fotografie einer Kuh, die einen RFID-Chip im Ohr trägt. Das Bild wurde dekonstruiert und in acht verschiedene Pixelgrößen geschichtet, die durch eine digitale Verstärkung der Bildhelligkeit und -schärfe auf dem Bild abstrahiert wurden. Das Ergebnis sind einzigartige, hochauflösende Drucke auf Leinwand.